Diese Begegnung hat sich am Freitag den 10ten Juni zugetragen. Ich werde den Beitrag erstmal am heutigen Tag (20ter Juni) veröffentlichen, ihn aber im späteren Verlauf zurückdatieren.
Wie mein Tag angefangen hat, ob ich an diesem Morgen spazieren war oder ob die defekte Automatik der Schrankenschließung mir diesen Morgenspaziergang verwehrt hat, weiß ich gar nicht mehr. Was ich noch in Erinnerung habe ist, dass ich gefragt wurde, ob ich das Wochenende über nach Trier komme. Der Gedanke ging zu diesem Zeitpunkt noch nicht in Resonanz mit mir, es war noch zu früh um sich darauf einlassen zu können. Nach der Arbeit war ich am Rhein, hab mich dort mit einer Seele getroffen, die erst seit kurzem in meinem Leben gestrandet ist. Nach unserem Abschied bin ich weiter dort geblieben und habe die Umgebung auf mich wirken lassen. Die Menschen, die Gespräche der Tische, die Energie. Am Nebentisch mit 3 Seelen (2 Frauen, 1 Mann) war eine Unterhaltung zu hören, ich schätze Niederländisch. Während ich mein Weinglas anhebe, kreuzen sich die Blicke des Mannes (von diesem Tisch) und mir, er sein Bierglas in der Hand. Wir prosten uns zu.
Er beginnt davon zu reden, dass er die Lieder, in denen vom Vater Rhein gesungen wird, nun versteht – dies sei ein schöner Ort. Ich stimme ihm zu, es ist ein wunderbarer Ort. Gleichzeitig gebe ich zu bedenken, dass es überall Schönheit gibt. Er gibt mir Recht und sagt, dass alles eine Frage der Einstellung / Sichtweise sei – man sollte sicher immer eine positive Sichtweise behalten.
Ich frage ihn, ob sie aus Holland kommen. Er sagt, ja und dass er und seine Frau gerade seine Cousine besuchen, die in Jockgrim wohnt. Er wäre ihr Sponsor und ich frage wofür? Geld, Fürsorge, Liebe? Er antwortet – irgendwie so, ja. Er wollte eigentlich bis 80 arbeiten, gibt mir aber zu verstehen, dass er früher aufgehört hat, wegen seiner Frau und murmelt dazu noch etwas.
Im ersten Moment ist es mir noch nicht ganz klar, wenig später hab ich verstanden, dass seine Frau, mit der er 54 Jahre verheiratet ist, an Demenz erkrankt ist. Er erzählt, dass sie eine Rundreise machen, verschiedene Optionen haben, was sie sich morgen anschauen wollen – er nennt einige Orte – zu diesem Zeitpunkt erregt davon keiner meine Aufmerksamkeit.
Die 54 Jahre lassen mich ein Stück weit in Ehrfurcht erzittern. Ich erzähle ihm im Gegenzug, dass ich seit 16 Jahren Single bin. Zum ersten Mal habe ich NICHT die Reaktion von Mitleid, sondern tatsächlich von: Wow, toll. Du tust das richtige. Du nimmst Dir was Du brauchst. Genieße Dein Leben in jedem Moment. Ich sage ihm, dass er der erste Mensch ist, der so darauf reagiert und erkläre wie die Reaktionen sonst ausfallen (lustigerweise habe ich vor ein paar Tagen darüber geschrieben). Seiner Meinung nach, gibt es unglaublich viele Menschen, die das ganz genau so sehen.
Er erzählt mir, dass es für ihn nicht leicht ist – er viele Fehler macht, weil er auch nur noch so wenig Energie hat, ihr jetzt aber gerne noch schöne Momente geben möchte, auch wenn sie diese wieder vergisst. Seine Frau würde unglaublich gerne shoppen, dabei wäre sie so glücklich – sie hätte zwar keines der neu gekauften Kleider jemals an aber sie so glücklich zu sehen, darum geht es. Aus diesem Gedanken heraus erwähnt er, dass er morgen auch nach Trier fahren könnte, zum Shoppen.
Freitags ist am Rhein oft eine Tanzveranstaltung, an diesem Tag ebenfalls, ich frage ihn, ob seine Frau gerne tanzt und er entgegnet, ja unglaublich gerne aber sein Kreuz würde es nicht mehr ganz so gut vertragen. Ich weise ihn auf die Veranstaltung hin und sage ihm, dass er damit vielleicht seiner Frau eine Freude machen kann – an diesem schönen Ort einen Tanz.
Irgendwie ist mir im Zuge dessen das Buch „Wie ein einziger Tag“ eingefallen – die Geschichte ist eine Liebesgeschichte – alles in allem hab ich dieses Buch in einer einzigen Nacht gelesen. Rotz & Wasser heulend, in der Badewanne – die natürlich im Verlauf kalt wurde. Die Details lass ich jetzt mal weg – auf jeden Fall erzählt er im späteren Verlauf seiner Liebe immer wieder ihre Liebesgeschichte und holt sie damit immer wieder zurück. Auch darüber rede ich mit dem 79-jährigen Mann.
Leider fehlt mir jetzt der wirkliche Bezug im Gesprächsverlauf, in der Notiz steht: Man ist ein Spiegel seiner selbst – was man aussendet, bekommt man zurück! Ich hoffe wirklich, dass mir noch einfällt in welchem Bezug wir das gesagt haben.
Während unseres Gespräches ist er selbst zum Teil sehr emotional und rührt mich tatsächlich zu Tränen – ich sage / zeige das auch offen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich seine Gefühle aufgesaugt und für ihn raus gelassen habe oder ob das wirklich meine eigenen Gefühle waren.
Trier, Trier… Impuls.
Ich bin unglaublich dankbar für diese Begegnung. Immer wieder toll welch intensiven Gespräche man mit fremden Menschen haben kann (die unglaublich vertraut / nah scheinen) und welche Botschaften da fließen. Ich liebe solche Momente! Ich finde solche Momente immer häufiger oder die Momente finden eben mich.
Dieser Moment wirkt immer noch nach.
Danke!
Ich wünsche mir wirklich, dass ihr an diesem tollen Ort zusammen getanzt habt. Habt ihr?
Gute Reise mein Freund! Ich fühle Dich!